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Prof. Helge Peukert

Universität Siegen, Fakultät III (Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsrecht)

 

Ich halte Max Otte für einen der interessantesten Ökonomen und Sozialwissenschaftler Deutschlands. Auch dank seiner Arbeit und Forschung für das Institut für Vermögensentwicklung hat er profunde betriebswirtschaftliche und mikroökonomische Kenntnisse des realwirtschaftlichen Geschehens. Darüber hinaus verfügt er aber auch über ein treffsicheres Urteil hinsichtlich gesamtwirtschaftlicher Prozesse. Er hat im Unterschied zu den meisten Fachleuten in Politik, Wirtschaftswissenschaften und im Finanzsektor die Finanzmarktkrise vorausgeahnt („Crashprophet“).

 

Seine eigenständigen und in meinen Augen völlig zutreffenden Bemerkungen und Vorschläge im Zuge der Staatsschuldenkrise bezeugen, dass es sich bei seiner Vorhersage der Finanzmarktkrise nicht um einen Zufallstreffer handelte.

 

Herr Otte gelangt zu völlig eigenständigen Urteilen, da er sich bei der Beurteilung ökonomischer Phänomene nicht an einseitigen und zwangsläufig nur wenige Variablen umfassenden Modellen orientiert, sondern in holistischer Perspektive institutionelle und wirtschaftshistorische Aspekte mit berücksichtigt und konsequenter Weise auch schwerer zugängliche wirtschaftshistorische Werke v.a. zur Weltwirtschaftskrise wieder auflegte und mit orientierenden Vorworten versah.

 


Heutzutage ist viel von interdisziplinärer Forschung die Rede, die jedoch meist zu bürokratischen Forschungsverbünden führt, die selten interessante Ergebnisse hervorbringen und die die aktuelle Wirtschaftspolitik nicht entscheidend beraten können. Durch seinen weniger bekannten politologischen Hintergrund ist er in der Lage, eine auch wissenschaftlich angeleitete Gesamtschau der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen vorzunehmen. So ist auch zu erklären, warum er im Unterschied zu vielen eindimensionalen Ökonomen treffsichere Urteile abgibt und in den Medien zu recht zu Wort kommt, da er nicht nur anschaulich und plastisch komplizierte Sachverhalte auf den Punkt bringen kann und über den Blick fürs Ganze verfügt, sondern man seinen – sich oft von den Parolen des Tages deutlich unterscheidenden Einschätzungen (z.B. frühzeitig zur Fehlkonstruktion des Euro und der Notwendigkeit von Umschuldungen) – im Nachhinein meistens recht geben muss. Er scheut auch nicht davor zurück, nebenbei eine gut verständliche Streitschrift zu stabileren Finanzmärkten zu verfassen, die der Occupy-Bewegung und den auch sprachlosen durchschnittlichen Bürgern und Steuerzahlern Orientierung bietet.


Herr Otte hat nicht nur eine internationale Karriere in den USA und die Überwindung einer kleindimensionierten deutschen oder eurokratischen Sicht der Dinge hinter sich. An Stelle eines weit verbreiteten, beliebigen und wohlfeilen Kosmopolitismus der heutigen Meinungsführer und Entscheidungsträger befürwortet er die unterschiedlichen Mentalitäten der Völker und ihre nationalökonomisch spezifischen Ausprägungen, die man nicht unter dem Diktat des angelsächsischen Weges monokulturell einebnen sollte. Als „ideeller Preuße“ bekennt er sich zu einem ordnungspolitisch starken Staat, der den Märkten im Interesse des Allgemeinwohls Richtung gibt und Grenzen setzt und in dem sich z.B. Ministerialbeamte mit Elite- und Qualitätsbewusstsein der Öffentlichkeit verpflichtet fühlen und nicht stets auf dem gedanklichen Absprung zu einem lukrativen Job in der natürlich auch wichtigen Privatwirtschaft sind, und die den berechtigten Interessenten der Akteure aus der Wirtschaft und den Finanzmärkten auf Augenhöhe begegnen. Der Staat soll nach Otte und im Einklang mit den Grundsätzen einer Sozialen Marktwirtschaft nicht zum schwächlichen und dadurch zwangsläufig parteiischen Schiedsrichter im Kampf der Partialinteressen degenerieren (siehe das auch in dieser Hinsicht anregende Gespräch mit T. Helfrich in Die Krise hält sich nicht an Regeln, Ullstein 2010).


Mit diesem theoretischen und normativen Ansatz knüpft er an die frühere, heute weitestgehend verdrängte staatswirtschaftliche Orientierung der deutschen Volkswirtschaftslehre an, die auch die staatswissenschaftlichen Fakultät in Erfurt beseelt, die Soziologie, Politologie, Jurisprudenz und Wirtschaftswissenschaften integriert. Insofern freut es mich besonders, dass er an dieser Fakultät Veranstaltungen zu Case Studies in Management anbietet. Wer Max Otte persönlich kennen lernt, erinnert sich an die tiefe Wahrheit des Satzes von Wilhelm Röpke, dass über die Güte eines Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlers letztlich immer der integere Charakter entscheidet.

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